Die Bereifung ist lustigerweise meistens der erste Punkt auf den man vom Verkäufer hingewiesen wird. "Keine 100km drauf und steht seit 20 Jahren nur herum" hört man in solchen Situationen immer wieder. Hier gleich vorweg eine Warnung vor alten Reifen! Reifen bestehen aus einem Gewebe das mit Gummi überzogen ist. Gummi enthält einen Weichmacher der den Gummi elastisch hält. Das Problem an der Sache: diese Weichmacher verdunsten mit der Zeit und zurück bleibt ein harter, spröder Kunststoff. "Hart" schmiegt sich nicht so leicht an den Asphalt und bietet keine Bodenhaftung mehr. "Spröder" Gummi bildet Risse an diversen Stellen und kann zu Reifenplatzern führen.
Wenn der Reifen sich jedoch tatsächlich noch elastisch anfühlt (mit dem Fingernagel auf einer Kante am Profil herumdrücken hilft hierbei sehr) sollte noch auf die gesetzliche Mindestprofiltiefe von 1,6mm geachtet werden. Zum Besichtigen ist ein Profiltiefenmessgerät oder ein einfacher Messschieber empfehlenswert. Achtung, die meisten Reifen haben eigene Abnutzungs Indikatoren (kleine Erhöhungen im Profil) die sollten auch noch nicht erreicht sein.
Zu guter letzt sollte noch der GANZE Reifen angeschaut werden und auf Schnitte, Risse und Beulen untersucht werden. Beulen bedeuten Gewebeschäden. Bei Gewebeschäden sollte der Reifen keinen Meter mehr gefahren werden, es besteht akute Reifenplatzer Gefahr!
Der Antriebssatz besteht aus dem Ritzel (nicht lachen, heißt halt so), der Kette und dem Kettenrad.
Bei den beiden Zahnrädern sollte man auf den Zustand der Zähne achten (jaja, nur einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul). Da bei einem normalen Motorrad das Getriebe für das Schalten zwischen den Gängen verantwortlich ist sind die Zahnflanken der einzelnen Zähne symmetrisch. Bessergesagt sie sollten es sein! Wenn die Zähne eher der Rückenflosse eines Hais entsprechen, unterschiedlich lang oder sogar abgebrochen sind, hat es der Antriebssatz hinter sich. Meistens wird das Ritzel von einer Abdeckung verdeckt. Wenn es leicht geht zahlt es sich aus einen Blick dahinter zu werfen, wenn nicht kann man vorsichtig den Zustand erraten aufgrund des Zustandes des Kettenrades. Das Ritzel wird normal stärker beansprucht als das Kettenrad.
Die Kette selber sollte die richtige Spannung haben, das heißt sie sollte sich je nach Modell 2-3cm bewegen lassen wenn man in der Mitte zwischen den beiden Zahnrädern nach oben drückt. Die genauen Werte sind oft auf dem Kettenschutz angegeben. Außerdem sollte man die Kette am Kettenrad in der Krümmung nicht mehr als 2-3mm (halbe Zahnhöhe) anheben können.
Die Lager sollten leichtgängig sein, keine Geräusche machen und dürfen kein Spiel haben.
Welche Lager gibt es: Die beiden wichtigsten Lager sind die Radlager. Um diese zu testen ist es am leichtesten wenn das Motorrad über einen Hauptständer verfügt, wenn das Motorrad nur einen Seitenständer hat kann das Motorrad vorsichtig über diesen und das andere Rad gekippt werden um das zu prüfende Rad zu entlasten. Am besten arbeitet man da zu zweit. Das entlastete Rad muss sich nun leicht drehen lassen und das Lager darf keine Geräusche machen. Beim Hinterrad muss natürlich der Leerlauf eingelegt sein. Außerdem sollte man am Rad wackeln um festzustellen ob das Lager ein Spiel hat.
Das Lenkkopflager wird am besten auch gleich getestet wenn das Vorderrad entlastet ist. Dazu dreht man den Lenker bis zum Anschlag in beide Richtungen und fühlt dabei nach Unregelmäßigkeiten bei der Drehung. Ein Spiel lässt sich leicht feststellen indem man an der Gabel zieht oder daran wackelt. Vorsicht dabei nur, dass das Motorrad dabei nicht aus dem Gleichgewicht gerät.
Fluchten die Räder? Traurig aber wahr, wenn das Motorrad schon einen oder mehrere Stürze erlebt hat kann sich das auf den Rahmen auswirken ohne das man das gleich merkt. Speziell die Gabel bekommt leicht was ab, da die Verbindung zum Rahmen relativ klein ist und eine große Hebelwirkung entstehen kann.
Genau feststellen ob der Rahmen verzogen ist kann man leider nur mit entsprechender Ausrüstung und Knowhow, aber einen groben Überblick kann man sich schnell verschaffen. Dazu stell das Motorrad auf den Hauptständer sofern vorhanden oder bitte einen Zweiten das Motorrad aufrecht zu halten. Den Lenker stell so gerade wie möglich. Dann geh 10m zurück direkt hinter das Motorrad und schau ob die beiden Räder genau (!) auf einer Linie liegen. Wenn nicht lass die Finger von dem Motorrad. Ich hab das selber beim Kauf meines ersten Motorrads verabsäumt und irgendwann hat eine schiefe Gabel dazu geführt das ich eine Kurve tangential verlassen hab. Kein schönes Erlebnis.
Die Gabelsimmerringe müssen dicht sein. Das heißt auf dem Gabelholm (die hochglänzenden Rohre) darf kein Öl sein. Wenn das der Fall ist besteht die Gefahr das Öl auf die Bremsbacken kommt und diese dadurch nicht mehr bremsen. Das tauschen der Gabelsimmeringe kann man in jeder Fachwerkstatt machen lassen oder auch mit genug Zeit und Geduld selber machen, allerdings sollte man mit undichten gabelsimmeringen nicht mehr fahren.
Die Bremsen können als erstes mittels einer Druckprobe auf Dichtheit überprüft werden dazu den Bremshebel so fest wie möglich ziehen. Wenn sich der Bremshebel bis zum Griff ziehen lässt ist schon mal mit hoher Wahrscheinlichkeit Luft im System und damit kann im Fall einer Notbremsung die maximale Bremskraft nicht erreicht werden. Wenn allerdings der Druckpunkt gut ist und der Bremshebel nach ca 2/3 nicht mehr weiter zu ziehen ist dann in der Stellung kurz warten und nach einiger Zeit überprüfen ob man den Bremshebel jetzt noch weiter ziehen kann. Wenn das der Fall ist und sich der Bremshebel signifikant weiter ziehen lässt (achtung: ohne dazwischen loszulassen!), ist das System undicht und es geht Bremsflüssigkeit verloren. Das kann zu einem spontanen aussetzen der gesamten Bremsleistung führen.
Wenn die Druckprobe erfolgreich war sollte man noch einen Blick auf die Bremsbacken und die Bremsscheiben werfen. Bei den Bremsbacken gibt es meistens Indikatorrillen. Wenn diese nicht mehr sichtbar sind, müssen die Backen getauscht werden. Wenn die Backen garkeinen Belag mehr haben und schon die Auflage schleift (bitte wieder nicht lachen, alles schon gesehen!), muss zusätzlich auch auf jeden Fall die Bremsscheibe getauscht werden. Die Bremsscheibe sollte entlang der Auflagefläche annähernd (!) eben sein, also es sollten keine starken Rillen oder Auswölbungen in dem Bereich sein wo der Belag reibt. Außerdem darf die dicke der Bremsscheibe ein bestimmtes Mindestmaß nicht unterschreiten.
Flüssigkeitsstände vor allem der Ölstand sollten auf jeden Fall kontrolliert werden. Zum kontrollieren des Ölstandes gibt es meinst bei der Schraube zum Öl nachfüllen einen Messstab oder ein kleines Fenster zum hineinschauen. Zum kontrollieren des Ölstandes lässt man den Motor warmlaufen, damit das Öl flüssiger wird und stellt den Motor dann ab damit sich das Öl in der Ölwanne sammeln kann. Jetzt nur mehr das Motorrad aufrichten das es gerade seht oder auf den Hauptständer aufbocken und den Stand kontrollieren.
Sturzschäden sind ein schwieriges Thema. Je nachdem wie viel Wert man auf die Optik legt, sind Kratzer und Dellen vielleicht eine Möglichkeit den Preis zu drücken, allerdings kann man sich nie sicher sein ob bei dem Sturz nicht vielleicht mehr passiert ist als nur ein Kratzer. Bei unbestimmten Sturzschäden zahlt es sich aus den Rat einer Fachwerkstatt hinzu zu ziehen (auch wenn der Verkäufer beteuert das sonst nix passiert sein kann).
Der allgemeine Zustand des Motorrades gibt einem einen Einblick in den Umgang des Vorbesitzers mit dem Motorrad. Wenn es recht dreckig ist oder der Lack staubig und matt ist kann man auch davon ausgehen der der Vorbesitzer einen ähnlich schleißigen Umgang mit dem Motor gehabt hat.
Die Probefahrt sollte erst gestartet werden wenn die obigen Punkte alle kontrolliert worden sind.
Bei der Fahrt achte nicht nur auf seltsame Geräusche oder unnatürliche Vibrationen sondern auch auf das Handling und das Fahrgefühl. Auf jeden Fall schalte auch alle Gänge einmal durch beim Fahren und kontrollieren ob sich der Leerlauf leicht finden lässt. Das lässts sicht natürlich nicht bei einer kurzen Runde die gasse rauf und runter testen. Mach dir deswegen mit dem Verkäufer aus, dass du eine größere Runde fahrst. Teste wie sich das Motorrad in engen Gassen, auf Landstraßen, auf der Autobahn, in Schräglage, beim Beschleunigen und Bremsen und im Stau anfühlt. Tut dir nach längerer Fahrt vielleicht das Genick, der Rücken, die Schultern, die Arme, die Beine, der Hintern oder irgendwas anderes weh? Wenn ja musst du selber beurteilen ob da ein Gewöhnungseffekt eintreten wird oder obs einfach nicht passt. Manchmal zahlt es sich aus sich gegen ein Motorrad zu entscheiden und dafür nicht bei jeder Tour zu leiden.